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Waldbaden für Herz und Seele
23.02.2021
Ich gehe heute baden. Im Februar. Natürlich nicht ins Freibad (auch Schwimmhallen sind derzeit geschlossen) und auch nicht im Badeanzug. Ich gehe Waldbaden. Zum Herunterkommen, Erholen und Stress abbauen. Jeden einzelnen Schritt bewusst setzen. Auch mal die Pfade verlassen, neue Wege gehen. Den Geräuschen lauschen, Vogelstimmen, dem Knacken unter den Schuhsohlen. Hoch zu den Baumwipfeln schauen. Ein Blatt aufheben, an einer Kiefernadel riechen. Auch mal einen Baum umarmen. Die Augen schließen. Tief einatmen, tief ausatmen. Denn Waldluft ist nicht nur angenehm und wohltuend, sie soll auch das Immunsystem stärken, äußerst heilend sein und für erholsamen Schlaf sorgen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass wir wertvolle Stoffe einatmen, die von Bäumen und Pflanzen abgegeben werden. Diese beleben, schenken Energie, geben uns Kraft und verschaffen gute Laune! Alles Dinge, die wir gerade in Corona-Zeiten besonders brauchen.
Waldbaden ist jedoch keine Erfindung der Corona-Zeit. In Japan zum Beispiel ist es nichts Ungewöhnliches, dass man als gestresster Mensch das Waldbaden „verschrieben“ bekommt. Seit den 1980er-Jahren beschäftigen sich nicht nur Forscher aus Japan, sondern Ärzte, Landschafts- und Umweltmediziner, Ökopsychosomatiker und Wildnispädagogen mit der Frage, warum uns der Wald so gut tut und ein Aufenthalt der Seele hilft, viele Krankheiten lindert, Heilung beschleunigt und angeblich sogar vor Krebs schützen kann.
Die Bäume kommunizieren miteinander
So hat sich zum Beispiel der österreichische Biologe Clemens Arvay intensiv mit den Untersuchungen zur Heilkraft des Waldes beschäftigt und dazu ein Buch „Der Biophilia-Effekt“ veröffentlicht. Er beschreibt darin eine Kommunikation der Bäume, die sich auch positiv auf uns Menschen auswirkt. Können Bäume sprechen? Natürlich nicht. Sie schütten aber laut wissenschaftlicher Untersuchungen chemische Verbindungen aus. Man vermutet, dass die therapeutische Wirkung des Waldes auf Körper und Seele auf Terpenen beruht, den wichtigsten Ingredienzen ätherischer Öle, die aus Rinde und Blättern von Bäumen, Sträuchern und anderen Pflanzen entstehen. Nimmt der Mensch sie über Haut und Lunge auf, beruhigt sich der Sympathikus, ein Teil des vegetativen Nervensystems, der in Stresssituationen Flucht- und Kampfreaktionen steuert.
Laut Clemens Arvay sind inzwischen ca. 40.000 dieser „Pflanzenvokabeln“ entschlüsselt worden. Wir Menschen empfangen diese Signale, wenn wir durch den Wald gehen: unbewusst. Doch unser Immunsystem reagiert darauf, indem es aktiv wird. Das haben Forscher der Nippon Medical School in Tokio herausgefunden. Laut dieser Studien fährt unser Immunsystem hoch und es werden mehr weiße Blutkörperchen gebildet, sogenannte Killerzellen. Nach einem Waldspaziergang sind es etwa 40 Prozent mehr als davor. Diese Zellen schützen uns vor Krankheiten, indem sie alles beseitigen, was in unserem Körper nichts verloren hat – zum Beispiel Bakterien und Viren.
Bäume sind gut fürs Herz und halten jung
Außerdem halten Waldspaziergänge unser Herz-Kreislauf-System stabil und gesund, ist der Studie zu entnehmen. Unser Körper schütte vermehrt das Hormon DHEA aus. Es wird in der Nebennierenrinde gebildet und stärkt unser Herz und unsere Gefäße. Bei Stress und mit zunehmendem Alter lässt die DHEA-Produktion im Körper nach. Ein Bad im Wald ist also nicht nur gut für Körper und Seele, sondern auch ein Jungbrunnen.
Innere Ruhe und Frieden
Waldatmosphäre aktiviert auch den Parasympathikus, den sogenannten Ruhenerv. Er ist für Stoffwechsel, Erholung und den Aufbau körpereigener Reserven verantwortlich. Im Wald sorgt er also dafür, dass die Stresshormone zurückgefahren werden und der Blutdruck sinkt. Ein Tag im Wald soll unsere Stresshormone um 30 bis 50 Prozent senken. Der Wald steuert außerdem den Vagusnerv, jenen Teil des Nervensystems, der für innere Ruhe und Regeneration verantwortlich ist. Aufmerksam gehen, riechen, bewusst atmen, Bäume berühren oder umarmen, Vogelgezwitscher hören, bewusst in die Baumkronen sehen – all das gehört zum Shinrin-Yoku. Das japanische Forstministerium hat diesen Begriff des bewussten Waldbadens bereits im Jahre 1982 geprägt.
Gelebter Naturschutz
Eins ist sicher: Der Wald tut uns Menschen gut. Das Waldbaden ist jedem zu empfehlen, der sich um seine Gesundheit bemüht und ein inneres Gleichgewicht sucht. In gewissem Sinne ist das gelebter Naturschutz. Denn, wer den Wald wertschätzt, ist bereit, ihn zu schützen.
Sachsen-Anhalts Wälder leiden unter dem Klima. Deutlich schneller werden Bäume gefällt. Nach Stürmen, Dürren und Schädlingsbefall hat der Landesforstbetrieb (LFB) mehr als doppelt so viel Bäume gefällt wie eigentlich geplant. Seit 2018 schlage der Forstbetrieb jährlich 1,2 bis 1,5 Millionen Festmeter Holz ein, teilte Sachsen-Anhalts öffentlicher Waldbesitzer mit. Grund sei vor allem der Befall des Borkenkäfers. Und auch Waldbrände.
Gegen den Borkenkäfer kann man sicher selbst nicht viel tun. Sich für den Erhalt des Waldes einsetzen, schon. Bereits mit kleinen Maßnahmen wie Recyclingpapier nutzen oder zertifizierte Holzprodukte kaufen, hilft jeder für sich, den Wald zu schützen.
Um dann mit gutem Gewissen ein Waldbad zu nehmen. Und das hilft nicht nur der Gesundheit, sondern macht vor allem auch glücklich.
Bildnachweis:
Titelbild: © sawitreelyaon – stock.adobe.com
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